Krankenhaus-Museum

Vortrag – Lisa Hellriegel: „Sittlichkeit“, Moral und Recht. Sexualisierte Gewalt vor Gericht, 1920er-1970er Jahre

1969 liberalisierte das Erste Gesetz zur Strafrechtsreform in der Bundesrepublik den § 175, der homosexuelle Handlungen unter Männern kriminalisierte. Seit dem Vierten Gesetz zur Strafrechtsreform 1973 bezieht sich der 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs, der sich mit sexuellen Handlungen beschäftigt, nicht mehr auf „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“, sondern die „sexuelle Selbstbestimmung“. Dadurch änderte sich das über ein Jahrhundert vorherrschende rechtliche Denken über Sexualität und sexualisierte Gewalt: Im Mittelpunkt stand nun das Individuum, nicht mehr die öffentliche Moral. Denn was genau bedeutete „Sittlichkeit“? Welche Auswirkungen hatte dieses Denken auf den Umgang mit sexuellen Handlungen? Und wie kam dieser Wandel zustande? Am Beispiel sexualisierter Gewalt an Erwachsenen, kriminalisiert unter § 177 „Notzucht“, zeigt Lisa Hellriegel die Bedeutung dieses Wandels. Paragraf 177 stellte ausschließlich sexualisierte Gewalt von Männern an Frauen, also heterosexuelle Akte, unter Strafe. Eine Geschichte der Heterosexualität kann jedoch einen wichtigen Beitrag zu einer queeren Geschichte leisten, wie der Vortrag zeigt: Denn der Normalisierung heterosexueller Gewalt stand im Zeichen der „Sittlichkeit“ die Kriminalisierung einvernehmlicher homosexueller Kontakte entgegen. Dies zeigt, wie eng Fragen von Sexualität, Gewalt und Anerkennung verknüpft sind.

5€ / 2,50€ zzgl. Eintritt

 


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